Setzen Sie sich auf eine Bank und richten Sie Ihren Blick auf die gegebüberliegende Talseite. Je nach Jahreszeit können Sie von hier aus imposante Bäche oder tosende Lawinen sehen, die im Frühling zu Tale donnern. Bei grossen Mengen Neuschnees kann es auch so genannte Staublawinen geben, deren vorausgehende Druckwellen durchaus gravierende Zerstörungen anrichten können. Hin und wieder gibt es auch Eisabbrüche von Gletschern, Erdrutsche oder Steinschläge. Die Menschen hier sind sich der unberechenbaren Naturgewalten bewusst und haben gelernt, mit ihnen zu leben. Trotzdem schlägt die Natur bisweilen zu, und es kommt zu tragischen Bergunfällen. Die Jungfrau, das Wahrzeichen der Region, befindet sich links des Gletschers, den Sie oberhalb der Baumgrenze erblicken. Auf der rechten Seite erheben sich die Ebnefluh, das Mittaghorn und das Grosshorn. An strategisch geeigneten Plätzen befinden sich im Hochgebirge Hütten des Schweizerischen Alpenclubs, von denen aus Alpinisten diese hohen Gipfel erklimmen. Seit dem Dezember 2001 gehört alles, was Sie hier sehen, zum Unesco Weltnaturerbe. Gimmelwald hat eine alte Geschichte.
Das Dorf ist eine so genannte Walsersiedlung. Die Walser gehörten zu einer alemannischen Volksgruppe, die etwa vor 1000 Jahren das Gebiet hinter diesen Bergen besiedelten. Das Alpental dort heisst Wallis. Daher der Name Walser. Im 13. bis 14. Jahrhundert begannen einzelne Gruppen von ihnen ihre Heimat zu verlassen. Sie zogen in alle Himmelsrichtungen, auch hierher ins Lauterbrunnental, wo sie die Terrassen-Dörfer Gimmelwald und Mürren und andere kleine Orte gründeten, die es heute nicht mehr gibt. Eine Ursache für die mittelalterlichen Walserwanderungen waren der wachsende Bevölkerungsdruck und die Suche nach neuen landwirtschaftlichen Anbauflächen. Die Walser entwickelten Techniken, die das Bewirtschaften von hoch gelegenen Bergregionen ermöglichten. Aber wie kamen die Auswanderer über die hohen, verschneiten Berge? Im Laufe der Jarhunderte gab es immer wieder Klimaschwankungen, die dazu führten, dass in wärmeren Zeiten die Gletscher deutlich zurückwichen und die Baumgrenze viel höher war als heute. Dies ermöglichte den Walsern über die heute stark vergletscherte Wetterlücke auf rund 3170 Metern zwischen den Bergen Mittaghorn und Sattelhorn einen Weg hierher zu finden. Erwiesen ist, dass sie ihre Viehherden mitführten. Auch etwas ganz Besonderes kam auf diese Weise nach Lauterbrunnen: Kirchenglocken. Sie wurden auf einem speziell dafür angefertigten Transportgerüst über die Berge geführt. Die grössere der beiden so genannten Lötschenglocken können Sie vor der Kirche Lauterbrunnen besichtigen, die Andere mit der Jahrzahl 1483 ist im kleinen, aber sehr sehenswerten Talmuseum in Lauterbrunnen ausgestellt. Die Gimmelwalder und Mürrner fühlten sich noch lange eher der alten Heimat als den Leuten in Lauterbrunnen verbunden. Der Dialekt, die typische Bauweise der Häuser und einige Familiennamen erinnern übrigens noch heute an die Wurzeln im Wallis. Sie haben nun zwei Möglichkeiten Ihren Rundgang fortzusetzen. Entscheiden Sie sich für die kurze Variante, dann folgen Sie bitte der geteerten Strasse um die Kurve ins obere Dorf. Möchten Sie aber noch die alte, mit Wasserkraft betriebene Sägemühlei, die immer noch im Gebrauch ist, besichtigen? Dann nehmen Sie die asphaltierte Strasse abwärts bis zur Linkskurve und danach den Feldweg geradeaus taleinwärts. Unterwegs werden Sie an einem imposanten Wasserfall vorbeikommen, der sich in die Felsen eingefressen hat, und wir erzählen Ihnen alte Sagen aus der Gegend. Rechnen Sie etwa eineinhalb Stunden mehr Vergnügen für diesen erweiterten Rundgang ein! Im Winter und Frühling ist dieser Weg wegen Lawinengefahr allerdings gesperrt! Bitte beachten Sie die entsprechenden Hinweistafeln direkt am Weg.