Von hier aus geniessen Sie einen weitläufigen Ausblick auf das Dorf, die Weiden und die steilen Felder hinter Ihnen. Gimmelwald ist ein Bauerndorf. Von jeher bildete die Landwirtschaft den Haupterwerbszweig für die Bevölkerung. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist jedoch auch hier zu spüren, und die Anzahl der Betriebe hat in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen. Um 1930 zählte das Dorf rund 55 Haushaltungen, und von diesen lebten 43 von der Landwirtschaft. Heute leben nur noch eine Handvoll davon. Den Bauern steht nun aber mehr Land zur Verfügung als den 43 damals, denn mittlerweile bewirtschaften die Gimmelwalder auch den grössten Teil der Grundstücke in Mürren, wo es nur noch einen einzigen Bauernbetrieb gibt. Vor 1949 gab es in Gimmelwald kein einziges Motorfahrzeug und keinen Motormäher.
Sämtliche Arbeiten wurden also von Hand erledigt, was bedeutet, dass alles Gras von Hand gemäht und Burde für Burde auf dem Rücken in die Scheunen getragen wurde. Ebenso wurden die Jauche und der Mist im Frühling und Herbst auf dem Rücken oder in Schubkarren auf den Feldern ausgetragen. Die Bauern hatten mehrere kleine Scheunen an verschiedenen Standorten, damit der Transportweg für die schweren Lasten zwischen Stall und Feld möglichst kurz war. Im Winter wurde das Vieh von einer zur nächsten Scheune gezügelt, wenn die Futtervorräte am jeweiligen Ort aufgebraucht waren. Je nach Schneehöhe musste zuvor noch ein Weg durch den Tiefschnee geschaufelt werden! Mittlerweile haben alle Betriebe eine grosse Scheune, in welcher das Vieh den ganzen Winter verbringt und wo auch das dafür nötige Futter gelagert werden kann. Die kleinen Scheunen sehen Sie in und um das Dorf immer noch. Genutzt werden sie heutzutage jedoch nur noch als Weideunterstand oder als Schafstall. Die Arbeiten auf den Bauernhöfen sind je nach Jahreszeit verschieden. Im Frühling, wenn der Schnee geschmolzen ist, tragen die Bauern die Jauche als Dünger auf die Felder. Die Weidezäune für das Vieh müssen wieder aufgestellt werden. Sie wurden über den Winter entweder komplett entfernt oder an Ort und Stelle flach auf den Boden gelegt, damit die Zaunpfähle nicht vom Schneedruck zerbrechen. Sobald das Gras genug hoch ist – meist ab Mitte Mai – wird das Vieh auf die Weide gelassen. Der Grossteil der Kühe und Rinder verbringen den Sommer auf den höher gelegenen Alpweiden und wird dort von Sennen und Hirten umsorgt. Die Schafe und Ziegen beweiden die steilsten und unzugänglichsten Hänge rund um Mürren und Gimmelwald. Damit das Vieh auch im langen Winter satt wird, wird viel Futter benötigt. Die meisten Milchkühe erhalten zwar etwas zugekauftes Kraftfutter, dies ist allerdings teuer und muss vom Flachland hertransportiert werden. Deshalb besteht der grösste Teil der landwirtschaftlichen Arbeiten im Sommer aus der Produktion von Futtervorrat in Form von Silage, Heu oder Emd. Die Bäuerinnen pflegen nebenbei auch einen grossen Gemüsegarten, der zur Selbstversorgung dient. Angebaut werden nebst allerlei Gemüse auch Kartoffeln und verschiedene Arten von Beeren, Kräutern und Gewürzen. Im Herbst wird das Vieh von den Alpen zurück nach Gimmelwald getrieben. In dieser Zeit finden die traditionellen Chästeilete statt, an denen der auf der Alp produzierte Käse an die Besitzer der gesömmerten Milchkühe verteilt wird. Solange noch Gras vorhanden ist, verbringen die Tiere die verbleibenden Tage bis zum ersten Schneefall auf der Weide. Wenn die Weiden abgegrast sind, werden die Zäune wieder abgelegt und düngender Mist wird auf den Feldern verteilt. Einzelne Tiere müssen ihren letzten Gang ins Gimmelwalder Schlachthaus antreten. Dies ist für die Bauern nicht einfach, denn ihre Tiere haben alle einen Namen und sind ihnen ans Herz gewachsen. Das Schlachten gehört zum landwirtschaftlichen Kreislauf, und der Verkauf des Fleisches stellt ein Teil des Lohnes der Landwirte dar. Es bleibt der Trost, dass die Tiere ein Leben auf grünen Wiesen verbringen durften und am Lebensende nicht stundenlang eng eingepfercht in ein weit entferntes Schlachthaus gefahren werden. Im Winter beschränken sich die Arbeiten auf dem Bauernhof hauptsächlich auf das tägliche Füttern, Melken und Misten am Morgen und am Abend. Das Vieh verbringt den Winter in den Ställen und darf sich – je nach Wetterbedingungen und Betrieb – täglich oder mindestens alle paar Tage im Winterauslauf austoben. Viele Bauern gehen in dieser ruhigeren Zeit einer Nebenbeschäftigung nach, zum Beispiel als Angestellte im Skigebiet Mürren-Schilthorn. Das einfache und bescheidene Leben der Bergbauern erfordert viel Idealismus, bietet dafür aber viel Freiheit, frische Luft, Arbeiten im Einklang mit der Natur, sowie die Selbstversorgung mit eigenen Produkten von Hof und Garten. Die Bauern leisten einen grossen Beitrag zur Landschaftspflege und auch zur Biodiversität, denn eine intensive Bewirtschaftung ist in unserem Berggebiet nicht möglich. Dafür erhalten sie vom Bund finanzielle Entschädigungen. Viele Betriebe produzieren nach den strengen biologischen Richtlinien von BioSuisse. Die Produkte sind qualitativ hochwertig und vielfältig. Sie reichen von Fleisch, Milch, Käse und Eiern bis hin zu Teemischungen, Sirup und Konfitüre und können teilweise direkt bei den Bauern erworben werden. Eine Gruppe von Bäuerinnen vertreibt ihre Produkte gemeinsam unter dem Label „Marktfrauen Gimmelwald“. Sie verkaufen diese im Winter einmal wöchentlich an einem Marktstand in Mürren. Der Rundgang führt nun weiter bis zum Hotel Mittaghorn. Dort folgen Sie dem kleinen Fussweg über die Treppen hinunter bis zur nächsten Bank. Vielleicht möchten Sie aber, bevor Sie den Pfad hintunter zur Bahn unter die Füsse nehmen, noch ein paar Schritte auf dieser Strasse hochgehen. Im kleinen Laden «Mischmasch» finden Sie sicher ein passendes, authentisches Souvenir, das Sie stets an Ihren Ausflug nach Gimmelwald erinnern wird.